Hybridsorten und Genmais
Von der Vielfältigkeit zur Industrialisierung
Als Popcorn, Cornflakes, aus der Dose, direkt vom Kolben oder als energiehaltiges Futter ist er allseits bekannt. Mais ist unglaublich vielseitig. Neben Weizen und Reis stellt Mais eines der wichtigsten Grundnahrungsmittel weltweit dar. Gleichzeitig ist Mais aber eines der industrialisiertesten Agrarprodukte. So werden in Mitteleuropa quasi nur noch Hybridsorten angebaut und Genmais hat bereits viele Schlagzeilen gemacht. Doch zur Rettung der Maissorten haben sich in seinem Ursprungsland einige Menschen zusammengetan.
Guerrero und der Aufruf zur Erhaltung der Maissorten!
Wie es begann…
Der Bundesstaat Guerrero im Südwesten Mexikos gilt als ein Ursprungszentrum des Mais und seiner genetischen Vielfalt. Viele Bauern und Bäuerinnen bauten hier noch lange einheimische Maissorten an. Mittlerweile haben Ertragssteigerungen die meisten Bäuer*innen dazu veranlasst Hybride zu nutzen. Doch nicht ohne Folgen. „Wir haben bemerkt, dass das Saatgut der einheimischen Sorten in Mexiko verloren ging, auch hier in Guerrero an der Küste, und da haben wir die Initiative ergriffen und uns überlegt, wie wir es angehen können unser Saatgut zu retten“. So beschreibt Alejandro Hernández, Präsident und Mitbegründer des Red de Guardianes del Maíz Nativo (Regmaíz), den Projektstart im Jahr 2010.
Bauern und Bäuerinnen vereinen sich für den Erhalt einheimischer Sorten!
Regmaíz ist ein Zusammenschluss von Bauern, Bäuerinnen und anderen Unterstützer*innen hauptsächlich aus den Gemeinden Coyuca de Benítez und Acapulco. Sie haben sich zum Ziel gesetzt, einheimisches Saatgut zu bewahren und zu verbessern. „Uns ist es dabei wichtig, die Bedeutung von Bauern und Bäuerinnen hervorzuheben. Wir haben keine Genbank, aber wir haben die Produzentinnen und Produzenten, sie sind die, die ihr Saatgut bewahren, die es säen, ernten und im Feld selektieren“, so Alejandro Hernández.
Wissen und Saatgut über alte Maissorten teilen
De Campesino a Campesino
Die Mitglieder von Regmaíz möchten eine Veränderung von unten voranbringen und eine größere Autonomie der Bäuer*innen erreichen. Hierzu tauschen sich die Landwirt*innen des Regmaíz auch mit technischen Expert*innen und Wissenschaftler*innen aus. Sie teilen Kenntnisse und Erfahrungen über die Gewinnung und Verbesserung von Saatgut. Dabei orientieren sie sich an der alten Methode, die übersetzt „Von Bauer zu Bauer“ heißt. So haben sie 17 alte Maissorten der Region identifiziert, die von ökonomischer und sozialer Bedeutung sind. Außerdem organisieren sie Seminare zur Saatgutgewinnung, technische Lehrgänge und Märkte, bei denen Saatgut getauscht wird.
Alte Maissorten als Schatz der Natur!
Maíz Morado
Der einheimische lilafarbene Maíz Morado ist besonders widerstandsfähig gegenüber starkem Wind und Regen sowie bestimmten Krankheiten und ermöglicht gleichzeitig die beliebten farbigen Tortillas.
Maíz Chirrión
Der Maíz Chirrión hingegen eignet sich mit seiner mehligen Konsistenz vor allem für die Weiterverarbeitung zu Maismehl.
Medio Olote
Die großen Blätter des Medio Olote wiederum lassen sich optimal für die Zubereitung bestimmter Speisen wie Tamales nutzen.
Die Vielfalt erhalten!
Die Bäuer*innen des Regmaíz bauen jeweils unterschiedliche alte Sorten an, um diese zu erhalten. Sie geben ihr gewonnenes Saatgut auch an andere Landwirt*innen der Region weiter. Doch wie auf den Feldern seiner Mitstreiter*innen wachsen auch auf Alejandro Hernández Feldern nicht nur die alten Maissorten alleine.
Mischkulturen – Wie Kulturen voneinander profitieren…
Er baut diese gemeinsam mit Bohnen und Kürbissen, als „Milpa“, an. Bei dieser genialen Anbauform können die Kulturen voneinander optimal profitieren. Der Mais dient den Bohnen als Rankhilfe, die Bohnen stellen Stickstoff für den Mais im Boden bereit. Und die Kürbisse schützen mit ihren großen Blättern den Boden vor Austrocknung. Gleichzeitig stellt die Milpa ein vielseitiges Ökosystem dar, von dem sich das ganze Jahr über eine Vielfalt an Pflanzen ernten lässt.*
Alte Sorten stärken und verbessern!
Den Teilnehmenden von Regmaíz geht es nicht nur darum, alte Sorten zu bewahren, sondern diese auch für den Anbau in der Region weiterzuentwickeln –„sie stärker und widerstandsfähiger zu machen”, so Alejandro Hernández. Denn in vielen Gegenden ist der Anbau alter Maissorten noch mit hohen Kosten und geringen Erträgen verbunden.
Selektion der besten Pflanzen
Um die alten Sorten hinsichtlich nützlicher Eigenschaften zu verbessern, halten sich die Teilnehmenden auch bei der Selektion des Saatguts an eine traditionelle Methode, die „Selección Masal Estratificada“. Bei dieser Methode wird das Feld in gleichgroße Quadrate eingeteilt. In jeder dieser Parzellen wählen die Bäuer*innen die besten Pflanzen nach bestimmten Merkmalen aus (z.B. gesunde Erscheinung oder gute Verankerung im Boden). Das geerntete Saatgut dieser Pflanzen wird dann gemischt und für die Aussaat des nächsten Jahres aufbewahrt.
Bei Wiederholung dieser Art der Selektion stabilisieren sich die gewünschten Eigenschaften nach etwa 4 bis 6 Jahren. Auf diese Weise können Sorten immer weiter den bäuerlichen Bedürfnissen entsprechend verbessert werden.
Was wünschen sich die Beteiligten?
Diskurs zur Bewahrung der Maissorten
In der mexikanischen Politik ist bereits ein Diskurs über die Rettung und Bewahrung des Saatguts angestoßen. Damit ist aber nur der erste Schritt getan. Die Beteiligten des Regmaízwünschen sich mehr Pilotprogramme, in denen die mexikanische Regierung Bäuer*innen beim Handeln für den Schutz und die Verbesserung von Saatgut unterstützt.
Umdenken in der Politik
Generell ist das Denken in der Politik und bei der Ausbildung von Landwirt*innen noch zu sehr an den Prinzipien der industriellen Landwirtschaft orientiert. Konzerne verkaufen massenweise Saatgut, Pflanzenschutz- und Düngemittel und Bäuer*innen sollen kaufen und konsumieren.
Umdenken in Mexiko und weltweit
„Wir betonen aber, dass es die Bauern sind, die ihr Saatgut auf ihrem eigenen Feld auswählen und verbessern müssen, genauso wie der Bauer den Kompost auf seinem eigenen Feld produzieren muss.“, so Carlos García, Mitglied von Regmaíz. Hierzu muss ein Umdenken in Mexiko und weltweit stattfinden.
Was können wir als Engagierte tun?
„Wichtig ist es, die Aufmerksamkeit für den Erhalt alter Maissorten zu steigern und für den Nutzen ihrer Weiterentwicklung zu sensibilisieren“, meint Alejandro Hernández. Landwirt*innen und Gärnter*innen weltweit sollten versuchen, einheimische Sorten anzubauen und auf ökologischen Pflanzenschutz umzustellen. In Mexiko wie auch bei uns ist es wichtig, überregionale Verbindungen und Netzwerke zu schaffen, sodass es immer mehr werden, die sich von dem Thema und den Ideen anstecken lassen.
Was bleibt?
Die Teilnehmenden der Regmaíz haben altes Wissen wieder aufleben lassen und damit wertvolle Methoden der Zusammenarbeit und der Selektion wiedererlernt. Sie haben uns die schützenswerte Vielfalt des Mais nähergebracht und deutlich gemacht, dass Saatgut in Bauernhand gehört.
*Diese Anbauform wird schon seit Jahrhunderten in Mittelamerika betrieben und auch heute noch von vielen Landwirt*innen eingesetzt. Neben Bohnen und Kürbissen werden auch Erdnuss, Jamaikapfeffer, Chili, Tomate, Portulak oder Sesam mit dem Mais angepflanzt.