Ein Weg für junge Landwirt*innen zu Ackerland!
Für junge Menschen, die einen landwirtschaftlichen Beruf erlernt haben und selbst einen Hof gründen möchten, aber keinen Hof erben können, ist es sehr schwer, selbstbestimmt tätig zu werden und an Land zu kommen. Auch für Betriebe, die kein großes Kapital im Hintergrund haben, ist die Suche nach Land oft ein großes Problem. Das Ackersyndikat kann ein Ausweg aus dieser Preisspirale sein.
Dezentraler Verbund für nachhaltige Landwirtschaft und Wohnraum
Das Ackersyndikat ist ein Verbund von Projekten, die Landwirtschaft und Wohnraum bieten. Die Höfe sind dezentral, selbstorganisiert und wollen gemeinsam das Eigentum an Land und der Hofstelle dauerhaft dem Markt entziehen. Dazu wurde ein Verein gegründet, in dem alle Projekte Mitglied werden und sich gegenseitig absichern, dass Hof und Land nicht wieder verkauft werden können. Im Vordergrund stehen der landwirtschaftliche Betrieb und dessen Interessen – und dass der Betrieb langfristig erhalten wird.
Wie ist das Ackersyndikat entstanden und wie ging es weiter?
Gunter Kramp ist einer der Mitgründer:innen des Ackersyndikats: „Auf die Idee kamen Aktive des Mietshäusersyndikats und der Solawi-Bewegung. Mit unserer Solidarischen Landwirtschaft in Marburg hatten wir die Möglichkeit, einen Hof zu übernehmen und zu bewirtschaften. Da stellte sich die Frage nach der Form und es entstand die Idee, mit einer neuen Struktur das Projekt langfristig gegen den Wiederverkauf zu sichern. Ende 2020 hat sich eine kritische Masse von Leuten zusammengefunden, die an der Idee weiter arbeiten wollen.“
Das Ackersyndikat befindet sich seitdem im Aufbau. Etwa ein Dutzend Menschen bringen sich ein: „Wir sind eine selbstorganisierte Struktur. Wir bieten also keine Dienstleistung für die interessierten Höfe an, sondern stehen als Kommunikationspartner:innen zur Verfügung. Die gemeinsam erarbeiteten Satzungen und Finanzpläne können im Netzwerk als Vorlagen genutzt werden. Daraus etwas machen, zu entscheiden, was zum Projekt passt und wo es noch Änderungen braucht, das müssen die Projekte selbst. Das ist aber auch unser Erfolgsrezept, weil wir dadurch gemeinsam wachsen.“
Zweimal ist es bisher passiert, dass bei potenziellen Projekten letztlich doch andere Käufer:innen den Vortritt bekamen. Es gibt inzwischen aber 17 interessierte Projekte und Gunter ist zuversichtlich, dass dieses Jahr das erste Projekt umgesetzt werden kann.
Wie kann das Ackersyndikat das Eigentum der Spekulation entziehen?
Die Vorlage hierzu bietet das erprobte Modell des Mietshäusersyndikats. Im Kern funktioniert es so, dass der Verbund an Projekten eine Art „Wächerfunktion“ ausüben kann. Er verhindert, dass das Eigentum wieder privatisiert wird. Die Struktur zum Schutz vor Profitinteressen und außerlandwirtschaftlichen Investor:innen besteht damit aus dem Netzwerk der Projekte selbst. Im Gegensatz zu Genossenschaften oder Stiftungen, gibt es in diesem Netzwerk keine Führungspositionen.
Trotzdem sieht sich das Ackersyndikat nicht in Konkurrenz zu anderen Ansätzen: „Wir sind Teil des Netzwerks Flächensicherung. Es braucht eine Vielfalt an Strukturen, weil wir nicht wissen, wie sich die gesellschaftlichen Rahmenbedingungen ändern und welche Strukturen am Ende erfolgreich darin sein werden eine Transformation herzustellen.“
Falls Menschen im Betrieb aufhören oder dieser vorübergehend aufgegeben wird, kann das Ackersyndikat deren Mitgliedsrechte übernehmen und sich dafür einsetzen, dass der Hof erhalten bleibt. Gemeinsam suchen sie dann auch Nachfolger:innen für die Bewirtschaftung des Hofs.
Für wen kommt das Ackersyndikat in Frage?
Das Ackersyndikat bietet eine schlanke Möglichkeit, Land und Hof in einer Rechtsform zusammenzufassen. Das ist praktisch, insbesondere wenn die Flächen in Verbindung mit einem gemeinschaftlichen Wohnprojekt stehen. Aber auch sonst zeigen sich viele Projekte und landwirtschaftliche Kollektive an dem Ansatz interessiert. Denn dass Kapital bleibt im Projekt und alles wird selbst verwaltet. Nur bei den grundsätzlichen Kriterien der Bewirtschaftung und im Falle einer Reprivatisierung hat das Ackersyndikat ein Mitspracherecht: „Es darf keine Verschlechterung der Böden und Flächen stattfinden, aber wir verfolgen keine vorgegebenen ökologischen Ziele. Uns ist Verantwortung, Offenheit und die Autonomie der Projekte sehr wichtig und da wollen wir den Projekten keine Vorgaben machen. Die Projekte können für sich selbst im Dialog mit uns definieren was sie als verantwortungsvolle und nachhaltige Nutzung ansehen, Die dann getroffene Festlegung kann das Ackersyndikat auch dauerhaft sichern. Gegenüber völkischen Siedler:innen und anderen Rechten Akteur:innen und menschenverachtenden Haltungen grenzen wir uns entschieden ab.“
Wie sieht die Zusammenarbeit in der Praxis aus?
Eine Gruppe landwirtschaftlich aktiver Menschen und weiterer Freund:innen hat es gerade geschafft, in der Nähe von Jena einen ehemaligen Hof zu kaufen. Auch bestehende Hofprojekte können sich dem Ackersyndikat anschließen. Formal hat die Mitgliederversammlung noch nicht beschlossen, dass das Projekt Teil des Ackersyndikats wird. Gesine Langlotz erzählt uns, warum sie mit ihrem Projekt Teil des Ackersyndikats werden wollen. „Es ist sehr schwierig, Acker und Wohnraum bei einer Neugründung zusammenzubringen. Dafür mussten wir mehrere Jahre suchen und wollen deshalb nicht, dass das an diesem Ort wieder verloren gehen kann. Unser Projekt liegt außerhalb einer Großstadt. Bei einem Generationswechsel könnte der landwirtschaftliche Fokus verloren gehen. Wir wollen sicherstellen, dass langfristig die Landwirtschaft im Vordergrund steht.“
An den Hof zu kommen war für die Gruppe nicht einfach. Weil viele Voraussetzungen erfüllt waren, starten sie das Projekt auch mit einer vergleichsweise geringen Fläche von 0,7 Hektar. Gesine bleibt optimistisch: „Wir hoffen, dass wir vor Ort anknüpfen können und in den nächsten Jahren weitere Flächen kaufen oder pachten können. Aus dem Netzwerk kommt eine Menge Wissen und Unterstützung. Wir sind zwar selbst dafür verantwortlich, das Geld zusammenzusammeln. Wenn wir in Zukunft aber weitere Flächen mit Direktkrediten finanzieren können, möchten wir sie gerne in das Projekt integrieren.“
Was bleibt?
Die Erfahrungen von Gesine und ihrer Gruppe haben gezeigt, dass Zugang zu Land aktuell fast ausnahmslos für privilegierte Menschen gegeben ist: „Es braucht eine Menge Zeit und Kapital. Wir verschenken viel gesellschaftliches Potenzial, wenn wir den Zugang zu Land so erschweren.“
Im Ackersyndikat teilen die Projekte Wissen und andere Ressourcen, damit sie möglichst viele Flächen und Betriebe langfristig unverkäuflich machen und sichern. Gunter ist schon sehr gespannt, wie sich das Ackersyndikat entwickelt: „Wenn dezentrale Strukturen erst einmal an den Start gekommen sind, dann wachsen sie eigentlich fast von selbst. Denn mit jedem Hof, der Teil des Netzwerks wird, wird die Struktur von einer größeren Anzahl an Projekten getragen.“ Gesine sieht darin große Chancen: „Ich wünsche mir, dass es nicht nur kleine und ökologische Betriebe sind, die im Ackersyndikat zusammenkommen. Auch für klassische Betriebe mit vielen Hektaren kann es sinnvoll sein, Land und Produktionsmittel zu entprivatisieren. Es wäre schön, wenn in Zukunft im Ackersyndikat eine Vielfalt an Höfen und Strukturen vertreten wäre.“
Wer das Ackersyndikat unterstützen möchte, kann gerne zu einem Kennenlerntreffen kommen oder Direktkredite anbieten. Auch fachliche Expertise ist gerne gesehen, insbesondere für rechtliche Fragen oder Öffentlichkeitsarbeit. Jede:r kann sich nach seinen bzw. ihren Fähigkeiten einbringen.
Die Fotos wurden uns vom Ackersyndikat zur Verfügung gestellt. Dankeschön!