E-Hack bei der Agrartechnik Witzenhausen

Wir betreten in Begleitung unserer Gastgeber:innen die Halle der DEULA (Deutsche Lehranstalt für Agrartechnik) in Witzenhausen und schlängeln uns zwischen zwei Traktoren hindurch. Hier riecht es nach Werkstatt – nach Öl und Maschinen. Wenn sie nicht in ihrem Büro am anderen Ende der kleinen Unistadt arbeiten, sind Jette Götz und Christoph Besse oft hier anzutreffen. Sie teilen sich eine volle Stelle und arbeiten insgesamt drei Jahre im Forschungsvorhaben E-Hack, Elektrische Antriebstechnik im nicht-chemischen Pflanzenschutz. Inhalt des Projekts ist unter anderem die Konstruktion und der Bau von drei Geräteanwendungen.

Der E-Hack Prototyp: mit zwei Rädern und einem selbst geschweisten Lenker
Der E-Hack Prototyp: mit zwei Rädern und einem selbst geschweisten Lenker

Leiser, starker Antrieb für die Hacke auf Rädern

Die Elektrohacke arbeitet im Gegensatz zu benzin- oder dieselbetriebenen Einachsern leise und ohne den anstrengenden Gestank. Sie ist viel kleiner als ein Traktor und erleichtert die ansonsten sehr mühevolle Handarbeit zur Unkrautbeseitigung. Drei Versuchsmodelle stehen hier in der Werkstatthalle zwischen vielen anderen Geräten aus anderen Forschungsprojekten.

Aus vielen Ideen entstanden die Prototypen

Jette und Christoph haben ihre Maschinen aus selbst entwickelten und aus Zukaufteilen erstellt: in der Einrad-Hacke treibt ein Rad einer Elektroschubkarre mit Radnabenmotor das Gerät voran. Die ersten Versuche unternahmen die beiden mit einer einachsigen Hacke, an die sie eine Lenkerkonstruktion aus Metall schweißten. Am meisten befassen sie sich zur Zeit mit ihrer größten Hacke, die vorne über ein drittes, kleines Stützrad verfügt, welches verstellbar ist. Der Abstand der beiden Antriebsräder hinten ist an die Beetbreite anzupassen – von 0,75 bis 1,20 Meter. Der Lenker lässt sich verstellen. Es ist so möglich, neben dem Beet zu gehen oder in der Fahrspur zu laufen, ohne auf die Pflanzen zu treten. Salat, Spinat und Schnittlauch dienten unter anderem schon als Versuchspflanzen. Damit ausreichend Druck auf den Hackwerkzeugen liegt, haben Jette und Christoph Hantelscheiben aus dem Sportladen neben den Reifen aufgesteckt.

Der Kleine vor dem Großen: Jette schiebt die Einrad-Motorhacke an einem mittelgroßen Trecker in der Maschinenhalle vorbei. Nicht im Bild: die Werkzeuge, die sich hier einhängen lassen wie die Gänsefußschar.
Der Kleine vor dem Großen: Jette schiebt die Einrad-Motorhacke an einem mittelgroßen Trecker in der Maschinenhalle vorbei. Nicht im Bild: die Werkzeuge, die sich hier einhängen lassen wie die Gänsefußschar.

Wir dürfen die Maschinen in der Halle bewegen, sie haben tüchtig Zug, so dass wir uns konzentrieren müssen, um nicht mit einem der anderen Geräte zu kollidieren. Auf dem Gelände gibt es auch eine große Bodenhalle, in der die Maschinen getestet wurden. Aber natürlich gehören auch Einsätze in echten Beeten zur Entwicklung dazu.

Genaue Auswertung dank Doktorarbeit

Die dreirädrige Hacke ist mit vielerlei Meßtechnik ausgestattet. Die verschiedenen Messsensoren übermitteln die Daten direkt auf Christophs Laptop. Er erkundet für seine Dissertation u.a. die Zugleistung und die Ergonomie der Hacke. Die Ergebnisse helfen über das Projekt hinaus, in der Praxis, innovative Geräte für die mechanische Unkrautbekämpfung zu entwickeln.

Christoph Besse zeigt die Messtechnik auf der neuen Hacke: ein Sender überträgt die Daten vom Energieeinsatz bis zum Drehmoment in der jeweiligen Versuchsanordnung direkt auf seinen Laptop.
Christoph Besse zeigt die Messtechnik auf der neuen Hacke: ein Sender überträgt die Daten vom Energieeinsatz bis zum Drehmoment in der jeweiligen Versuchsanordnung direkt auf seinen Laptop.

Eine Menge Kabelbinder hält die Messtechnik auf dem Gerät an ihrem Platz. Das unterstreicht den Eindruck, dass hier fleißig experimentiert wird. Gleichzeitig hat Jette aber auch schon eine kleine Portion Design ins Spiel gebracht. Zwischen den Holmen des Lenkers prangt eine Blende aus Metall: „Agrartechnik Witzenhausen“ ist hier herausgelasert. Mit der selben Technik entstand eine gut sichtbare Skala, die die genaue Einstellung der Spurbreite erlaubt.

Bauteile aus vielen Quellen

Jette hat zwei Bachelor-Abschlüsse als Agrarwissenschaftlerin und Maschinenbauerin.

Sie hat kleine Parallelogramme aus den Niederlanden geordert, an denen die Hackwerkzeuge befestigt werden und je nach Boden flexibel reagieren können. Eine Münchener Firma liefert die Akkus, die meistens an E-Bikes zum Einsatz kommen. Immer wieder improvisieren die beiden Forschenden in Witzenhausen, um die Hacken verbessern oder die Messvorrichtung in die beste Position bringen zu können. Zwei durchsichtige Plastikkästen, die jetzt Elektrik vor Spritzwasser schützen, waren in ihrem früheren Leben im Baumarkt voller Schrauben.

Wie kommen die Maschinen später zum Einsatz?

Für Jette steht am Ende des Projekts die Entscheidung, wie es weitergehen soll. Eine Möglichkeit wäre, über ein Gründungsstipendium der Uni Kassel eine Unternehmensgründung anzustreben und selbst in den Vertrieb einzusteigen. Sehr spannend findet Jette aber auch die Möglichkeit, die Bauanleitungen als Open Source zur Verfügung zu stellen. Dann könnte jede Solawi sie nachbauen und käme an ein kostengünstiges Gerät. Ein französisches Open Source Projekt inspirierte sie schon bei der Entwicklung des Lenkers für die Einrad-Hacke. Die Kooperative L‘Atelier Paysan bietet seit Jahren vielfältige Ideen und praktisches Know-how rund um Arbeitsgeräte in der Landwirtschaft und setzt sich für technische Souveränität und Autonomie ein.

Auch Open Source braucht ein überzeugendes Konzept

Falls Open Source ein Modell für die Hacken in Witzenhausen werden soll, gibt es noch viele Fragen zu klären. Denn wer haftet eigentlich, wenn es trotz aller Messungen und Versuche eine Verletzungsgefahr gibt? Wie viele Gärtner:innen haben den Mut und die Zeit, mit Hilfe einer Bauanleitung ihre eigene Hacke zu bauen?

Noch ist Jette auch unzufrieden damit, wie teuer die einzelnen Bauteile sind: drei- bis viertausend Euro kommen schon zusammen, wenn sie nur den Motor, die Akkus, Räder, Metallträger und die Parallelogramme für die Aufhängung der Werkzeuge einkauft. Außerdem wirft auch die Akku-Technologie Fragen auf. Wo kommen die Rohstoffe her, wie können sie recycelt werden?

Die Bezahlbarkeit ist ein weiteres wichtiges Argument. Denn in kleinen Gemüsebetrieben ist das Budget für Neuanschaffungen oft knapp. Deshalb und aus ökologischen Gründen möchte die Maschinenbauerin auch auf Reparierbarkeit setzen. Viel zu oft sind Maschinen so komplex, dass bei einer Störung Profis mit Laptops und Hilfssoftware anrücken müssen. Jette schätzte es, selbst Hand anlegen und ein Arbeitsgerät wirklich verstehen zu können. Bei manchem Gerät auf dem Markt ist aufwändige Computertechnik ein Schritt hin zu mehr Abhängigkeit von externen Dienstleistenden.

Viele Möglichkeiten

Christoph präsentiert uns auf einem Tisch die vielfältigen Werkzeuge, die in die Hacken des Projektes eingespannt werden können. Mit ihnen lässt sich der Boden mal tiefer mal flacher, mal feiner mal gröber bearbeiten. Christoph und Jette erzählen, dass sie bei den letzten Ökofeldtagen ihre Arbeit vorstellen und viele interessante Gespräche führen konnten.

Wir kommen noch ein bisschen ins Träumen: Es wäre doch toll, wenn zum Beispiel Aktive von mehreren SoLaWis in einem Workshop die Geräte kennenlernen und nachbauen könnten.

Unser erster Besuch in der Witzenhäuser Werkstatt sollte nicht der letzte bleiben. Wir vereinbaren, in Verbindung zu bleiben.